Doppelt leben hält besser (2013)

Turbulente Komödie von Ray Cooney. 

In frecher Harmonie lebt der Taxifahrer und Bigamist John Smith nach einem exakten Stundenplan mit zwei Ehefrauen an zwei Adressen, solange, bis ein Unfall alles durcheinander bringt und seine besorgten Gattinnen zwei Polizeistellen um Hilfe bitten. Die lässt in Gestalt von zwei harmlosen Polizeiinspektoren nicht lange auf sich warten. Mit Hilfe seines Freundes und Nachbarn Stanley führt John sie in ein Labyrinth phantastischer Ausreden und Lügen, in dem sich die harmlosen Ehefrauen Mary und Barbara in Transvestiten und hysterische Nonnen verwandeln, während der wendige John den entsetzten Stanley mal zum Kind, mal zum homosexuellen Verführer umdichtet. Keinen Ausweg gibt es aus dem Irrgarten, in dem kein Auge trocken und keine Wahrheit übrigbleibt, bis beide Ordnungshüter (und das Publikum) dem Gesetz der Verrücktheit erliegen. (Quelle VVB)

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Kritiken 2013


Gießener Anzeiger

Doppelt leben hält besser

Amüsant, verrückt, nervenaufreibend


Von Olivia Becker

Wer gut organisiert ist, der ist wie geschaffen für zwei Ehefrauen, denkt sich Taxifahrer John Smith. Nach einem festen Zeitplan lebt er den scheinbaren Traum eines jeden Mannes. Bis ihm sein eigener Edelmut in die Quere kommt. Im Keller der Bonifatiuskirche Gießen wurde es mit John Smith (Dominik Müller) und seinem Doppelleben richtig turbulent. Am Wochenende feierte dort „Doppelt leben hält besser“ Premiere. Die Komödie von Ray Cooney ist gespickt mit überzogenen Charakteren, kreativen Lügen und unerwarteten Wendungen. Ray Cooney ist einer der erfolgreichsten Komödienautoren des 20. Jahrhunderts. Seine ausgeklügelten Geschichten folgen einer Logik, die seine Figuren immer weiter an den Rand der Katastrophe bringen.

„Wir wollten etwas Leichtes spielen, etwas Lustiges, bei dem wir viel Spaß haben“, sagt Regisseur Guy Sagnes. Das ist den sieben Schauspielern auf der Bühne gelungen. Im ausgefüllten Musenkeller tobte das Publikum vor Lachen.

Am Anfang scheint die Welt für Taxifahrer John in Ordnung. Der Song „Love and Marriage“ von Frank Sinatra ertönt, während sich seine beiden Frauen (Nina Gehring und Annette Filippi) ahnungslos für den Tag fertig machen. Nur vier Minuten voneinander entfernt. Beide in London. Die eine in Streatham, die andere in Wimbledon. Doch es muss etwas geschehen sein. Ihr Johnny kam nicht nach Hause. Und der ist sonst immer auf die Minute pünktlich. Und sowieso: Ihr Mann ist „überhaupt nicht auffallend“, stellen die Ehefrauen synchron fest. Diese Ansicht sollte sich ändern. Durchaus gewitzt führt John einen strengen Stundenplan. Anders ließen sich seine beiden Frauen auch nicht miteinander vereinen. Doch am „KTB“, am Knuddeltag mit Barbara, geht alles schief. Statt „MAM“ – morgen Abend Mary – verbrachte John die Nacht im Krankenhaus. Ein Unfall bringt seinen ausgeklügelten Ablauf durcheinander. Nun steht die Polizei auf dem Plan. Notlüge um Notlüge verstrickt sich John immer mehr in eine wahnsinnige Geschichte. Seine harmlosen Ehefrauen verwandelt er in Transvestiten, Kühe und hysterische Nonnen. Seinen Freund und Verbündeten Stanley (Christian Henkel) macht er mal zum Farmer, mal zum homosexuellen Verführer. „Ich habe schon Schwierigkeiten als homo sapiens anerkannt zu werden“, klagt der verdatterte Freund. „Warum gestehst du nicht endlich alles und rehabilitierst mich.“ Vergebens. Es wird verrückt, nervenaufreibend. Die Darsteller jagen über die Bühne. Hühner laufen durch das Wohnzimmer. Den Kopf stößt sich John an einem Eichenbalken. Und isst vor erstaunten Gesichtern eine Zeitung, damit er seine Geschichten aufrecht erhalten kann. Der Taxifahrer verstrickt sich immer mehr im abstrusen Geflecht seiner Lügen. Doch alle Geschichten passen irgendwie zusammen. Nicht einmal die Polizisten kommen John auf die Schliche, sondern werden Teil in seinem Labyrinth fantastischer Ausreden. „Herr Farmer, behalten Sie die Bullen im Auge“, befiehlt John seinem Freund. Wortwitz und Doppelsinn vom Feinsten. Die Darsteller sind enthusiastisch. Sie überzeugen durch Gestik und Mimik. „Ich glaube, es ist soweit“, stellt John erst nach zwei Stunden Spielzeit fest. Tosender Applaus für eine Glanzleistung.

Wer John in sein Lügenlabyrinth folgen möchte, der hat am 15. November, 20 Uhr, die nächste Gelegenheit dazu. Weitere Vorstellungen: 16., 22., 23. und 29. November, 6., 13. und 14. Dezember, jeweils um 20 Uhr.

dfsg

Das Ensemble (sitzend, v.l.): Inspector Troughton (Dominik Heinrichs), Barbara Smith (Annette Filippi), John Smith (Dominik Müller), Mary Smith (Nina Gehring), Stanley Gardner (Christian Henkel). Stehend (v.l.): Inspector Porterhouse (Michael Müller), Bobby Franklin (Michael Bayer), eine Reporterin (Hanna Weller).


Gießener Allgemeine

Bigamist tanzt im Geiste Twist


Es hat einen ganz besonderen Charme, wenn man die Katakomben der Bonifatiuskirche hinuntersteigt und in den kleinen, aber schmucken Raum des Musenkeller-Theaters geleitet wird. Den Zuschauern gebührt hier kaum mehr Platz als den agierenden Schauspielern – unsympathisch wirkt es aber keineswegs. Gerade durch die Nähe wirkt es so persönlich und freundlich wie es ist.

„Doppelt leben hält besser“ ist die deutsche Adaptation der englischen Komödie „Run for wife“ von Ray Cooney und erzählt eine Geschichte, die kurioser kaum ausfallen könnte. Taxifahrer und Bigamist John Smith wird eines Abends von einer älteren Dame mit ihrer Handtasche verprügelt. Smith gibt versehentlich bei der Polizei und im Krankenhaus die zwei verschiedenen Adressen seiner zwei Ehefrauen an. An beiden Adressen wird er von zwei unterschiedlichen Inspektoren aufgesucht.

 Um deren unangenehme Fragen zu beantworten, ohne dass die Lüge in puncto seiner zwei Frauen auffliegt, verstrickt er sich in ein Netz der Irrungen und Wirrungen – der Bigamist tanzt im Geiste quasi Twist. Hierbei löst ein Lacher den nächsten ab, bis beide Ordnungshüter mürbe sind.

Einzigartig ist wohl auch der schauspielerische Stil. Die pausenlos übertriebenen Gesten und Gesichtsausdrücke sind wesentlicher Bestandteil – ja sie geleiten die Komödie geradezu auf die Spitze der Ironie. Ohne sie wäre das Stück sicher nicht halb so gut angekommen.

Inszeniert hat „Doppelt leben hält besser“ Guy Sagnes, der beim Musenkeller bereits seit 2007 als Regisseur aktiv ist. Er selbst sieht sich dabei aber weniger als dominanter Gestalter, sondern mehr als Koordinator, da – besonders hier beim Musenkeller – jeder seine eigenen Ideen mit einbringt und das Stück mit seinen individuellen Fähigkeiten erweitert. (duh)