Deutsche Küche (2009)

Kurt, ein ehemaliger NVA- Berufssoldat, ist trotz Umschulung seit der Wende arbeitslos. Er sitzt den ganzen Tag missmutig vor dem Fernseher und zappt nach Werbung. In seinen eigenen vier Wänden ist für ihn die Welt noch in Ordnung, hier nimmt alles seinen gewohnten Gang. Bis zu dem Tag als ihm und seiner Familie die Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt wird. Damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Nach einer unruhigen Nacht findet tags darauf die Verlobung seiner Tochter ausgerechnet mit einem Wessi statt. Die Feier entwickelt sich zum familiären Desaster und Kurt erklärt der Welt den Krieg…

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Kritiken 2009


Gießener-Allgemeine

Soziale Kälte nach der Wende

Das Ensemble des Musenkellers zeigt das Stück »Deutsche Küche«


Es kann überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass der Mauerfall, dessen 20. Jahrestag die Republik erst vor wenigen Tagen begangen hat, zu den bedeutendsten Ereignissen des vergange­nen Jahrhunderts gehört. Der Kalte Krieg war zu Ende und die Welt dem Frieden fraglos ein Stück näher. Doch was hat die Wende für die Menschen in den neuen Bundesländern bedeutet? Eine Ant­wort auf diese Flage gibt derzeit das Ensemble des Musenkellers, beheimatet unterhalb der Bonifatiuskirche. »Deutsche Küche« heißt das Stück von Werner Buhss, das am Samstag Premiere hatte, und eine ganz klare Botschaft aus­sendet: Neben Freiheit hat das Ende der Mauer für viele Menschen im Osten auch soziale Kälte und Arbeitslosigkeit bedeutet. Das ist nichts Neues, doch es ist eine geradezu weise Entschei­dung von Regisseur Guy Sagnes und seiner Truppe, mit Buhss Stück jetzt, angesichts pompöser Feierlichkeiten, daran zu erinnern.

Und noch etwas ist weise an dieser Inszenierung. Wer nämlich glaubt, Gesellschaftskritik müsse immer ernsthaft und trocken daherkommen, der kann sich von den Schauspielern des Musenkellers, die ihren Gästen bei der Premiere allesamt ein gelungenes und spannendes Thea­tererlebnis bescherten, eines Besseren belehren lassen. Humorvoll und mit einer ordentlichen

Portion Sarkasmus beginnt die Geschichte um den ehemaligen NVA-Soldaten Kurt, in seiner Missmutigkeit meisterhaft verkörpert von Mi­chael Müller. Gemeinsam mit Ehefrau Elfriede – Annette Filippi in Hochform – lebt er nach der Wende in einer kleinen Wohnung, in der die Welt noch in Ordnung ist. Nur das Werbefernsehen hat Bedeutung, bis gleich zwei Ereignisse das Leben erschüttern. Da ist zunächst die Kündigung der Wohnung, überbracht von Hoffmann von Holzhausen und Camps, quasi dem Gesicht des Kapi­talismus, dessen monetärer Kälte Gerald Müller glaubhaft Leben einhaucht.

Einem Aufeinanderprallen der Kulturen kommt darüber hinaus die Beziehung von Tochter Bettina mit dem »Wessi« Schranz gleich. Auf die Bühne gebracht von Nina Gehring und Dominik Müller startete das ungleiche Paar mehrfach Angriffe auf das Zwerchfell der Zuschauer. Doch dieser Humor des Alltagslebens, zu dem auch Dominik Heinrichs als Nachbar Schmittchen kräftig beiträgt, ist kein Selbstzweck. Er spannt viel mehr den Spannungsbogen und lässt den Zuschauer die Tragödie, zu der es am Ende kommt, noch viel heftiger empfinden.

Weitere Aufführungen finden am 27., 28. und 29. November und am 11. und 12. Dezember je­weils um 20 Uhr im Musenkeller statt.        olz


Gießener Anzeiger

Publikum amüsiert sich köstlich über deutsch-deutsche Turbulenzen

„Deutsche Küche“ von Werner Buhss im Musenkeller – Treffsichere, komische Inszenierung


Von Heiner Schultz

„Deutsche Küche“, das klingt mehr nach Restaurantführer als nach Theater, und doch ist es ein Stück von Werner Buhss. Das Theaterensemble Musenkeller widmet sich in seiner neuen Produktion der innerdeutschen Thematik und beweist in der Regie von Guy Sagnes wiederum seine Fähigkeiten zu prachtvoll geschlossenem und nicht zuletzt sehr komischem Theaterspiel. Am Samstag war Premiere vor vollem Haus.

Seit 1994 besteht die jetzige Truppe und macht lebhaftes Theater,das inzwischen in der Laienszene Maßstäbe setzt, leider nur jeweils ein halbes Dutzend Mal. Man sitzt wie immer in diesem initheaterchen praktisch mitten im Geschehen, heute ist es eine ostdeutsche Wohnküche. Liebevoll detailliert dekoriert mit Erich-Bild, Kohleofen, ollem Küchenschrank und allerlei ccessoires. Das Bühnenbild und die perfekt ausgesuchten Kostüme stammen vom Ensemble, Maske und professionelles Make-Up der Darstellerinnen von Nina Gehring. Ein hervorragendes Programmheft gibt´s auch noch.

So nimmt man teil an der ostdeutschen Familientragödie, die denEx-NVA-Berufssoldaten Kurt (wunderbar vernagelt: Michael Müller) und seine Frau Elfriede (souverän und hinreißend komisch: Annette Filippi) mitten ins Herz trifft: Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt (durch Gerald Müller als gut geölten
Vollstrecker), die Tochter will einen Wessi heiraten, und es klopft auch noch an der Tür! Das ist zu viel für den Vater, er entwickelt eine zunehmend stärkere Paranoia, die ihn feindliche Massen vorm aus sich zusammenrotten sieht („Da draußen, da sammeln sich gegen uns!“) und schreitet schließlich zur schlimmen Tat.

Unterdessen sieht man den jungen Turteltäubchen genüsslich zu, die Nina Gehring und Dominik Müller bestens abgeben, während man über die reichlich eingestreuten deutsch-deutschen Sottisen es Autors grinst.

Das ungemein sicher agierende Ensemble arbeitet alles klar heraus und setzt die witzigen Details einfach prima um. Regisseur Sagnes hat seine Truppe bestens im Griff: Timing und die Choreographie bis hin zur Augensprache – alles sitzt famos, da machen ein paar Kleinigkeiten gar nichts. So gluckert, kichert und
lacht das Publikum vergnügt und fast ununterbrochen. Kein Wunder, ist doch das Ganze so hervorragend inszeniert, dass man sich dem Sog der Sache ohne den geringsten inneren Widerstand ingibt. Und schwupps! – ist es auch schon vorbei. Ein Volltreffer, unbedingt ansehen!

Weitere Vorstellungen am 27., 28. und 29.November sowie 11. und 12. Dezember im Theater Musenkeller, Liebigstraße 28,
Beginn jeweils 20 Uhr. Reservierung unter 0641-73724.